Exerzitien sind geistliche Übungen. Gottes Melodie begleitet „gratis“ jede Sekunde des Lebens. Sich auf diese Melodie „einzuschwingen“ bedeutet inneren Reichtum, aber es erfordert auch Übung, Zeit, Stille, …
Unsere Wanderexerzitien führten uns in das weite Tal von Rieti, das auch franziskanisches Galiläa genannt wird. Der heilige Franziskus und seine Gefährten der ersten Jahre machten hier, an einsamen Orten, prägende Erfahrungen in der Nachfolge Jesu.
Zur Einführung waren wir in Poggio Bustone. Das ist ein wunderschönes Fleckchen Erde, hoch oben an steilen Felsen gelegen. Hier erlangte Franziskus Gewissheit, tatsächlich von Gott angenommen zu sein, auch mit seinen Schattenseiten. Theoretisch war ihm das immer klar, existenziell erfahren hat er es aber erst hier während einer mystischen Erfahrung im Gebet.
In schweigender Wanderung führte uns der Weg am zweiten Tag nach Fontecolombo. In dieser Einsiedelei verfasste Franziskus die bis heute gültige Ordensregel. „Wie regle ich mein Leben?“, lautete die Frage für uns. In einer Fensternische der kleinen Magdalenenkapelle ist hier ein Taukreuz zu sehen, das Franziskus selber mit roter Farbe an die Wand malte.
Eine weitere Wanderung ging nach La Foresta. Ein Priester beherbergte hier einige Zeit Franziskus. Die vielen, nun eintreffenden Besucher verzehrten jedoch, direkt vom Weinstock weg, die Trauben des Priesters. Als Franziskus dessen Unmut spürte, stellte er ihm trotz allem eine reiche Ernte in Aussicht. Und tatsächlich … nie vorher und nie nachher brachte der Weinberg so großen Ertrag. „Sollten nicht auch wir mehr wagen, damit Gott eine Chance hat uns zu beschenken?“ Heute beherbergt der Ort junge Männer mit unterschiedlichsten Suchtproblemen. Durch Gemeinschaft, Gebet und Arbeit versuchen sie, wieder Boden unter ihre Füße bekommen.
Am vierten Tag pilgerten wir nach Greccio. In der Weihnachtsnacht des Jahres 1222 organisierte Franziskus hier in einer Höhle die erste „lebendige Krippe“, bei der auch die Hl. Messe gefeiert wurde. Er wollte sichtbar machen, wie konkret Gott im Jesus-Kind „das wirkliche Fleisch unserer Zerbrechlichkeit (fragilitas) annimmt“, wie er einmal schreibt. Auch der tiefe Zusammenhang zwischen Gottes Menschwerdung und seiner stillen Gegenwart in der Eucharistie beeindruckte ihn. Können unsere reizüberfluteten Augen das Wunder „hinter“ der Weihnachtskrippe noch erkennen?
Bevor es schließlich im Begleitfahrzeug mit unserem Begleiter und Koch Br. Martin nach Assisi ging, wanderten wir über eine traumhafte Hochebene nochmals in Stille ins alte Kloster von Stroncone.
„Mit“ Franziskus und Klara – so könnte man sagen – durchstreiften wir am letzten Tag unserer Exerzitien die belebten Gassen von deren Heimatstadt. Die Lebensorte der beiden führten unsere Gedanken zurück zum Alltag unseres Lebens. Ich hoffe, dass die intensive Zeit uns befähigt hat, Gottes Melodie besser zu erlauschen: Eine geistliche und körperliche „Lockerungsübung“!
Von 15.08. – 19.08.2020 stehen wieder Wanderexerzitien, diesmal auf dem Südböhmischen Jakobsweg von Oberösterreich nach Tschechien auf dem Programm. Vielleicht hast du Lust bekommen mit dabei zu sein.