Marcia francescana 2016

von P. Stefan Kitzmüller OFM

Die Marcia Francescana ist eine Fußwallfahrt nach Assisi, der Geburtsstadt der Heiligen Franziskus und Klara. Sie ist gedacht für junge Menschen zwischen 16 und 40 Jahren. Jedes Jahr machen sich Gruppen aus ganz Italien und aus anderen Teilen Europas auf den Weg. Sie gehen ihre jeweils eigenen Routen und treffen am 2. August, an dem das Fest mit dem eigenartigen Namen „Portiunkula“ gefeiert wird, bei der gleichnamigen Basilika in der Ebene vor Assisi zusammen. Auch die österreichischen Franziskaner bemühen jedes Jahr jungen Menschen diese Erfahrung zu ermöglichen.

Mehr als nur „Wandern“

„Von meiner ersten Marcia bin ich nie mehr ganz zurückgekehrt“, so fasste kürzlich ein junger Mann seine Erfahrungen zusammen. Er ist nicht der einzige, dem das Erleben dieses Weges eine ganz neue Sicht auf das Leben, auf Gott und auf sich selber ermöglichte. Was ist aber das Besondere an der Marcia? Obwohl es schwer zu beschreiben ist, möchte ich es hier in drei Punkten versuchen.

Weg des Glaubens

Im Mittelpunkt des Weges steht von Anfang an das Wort Gottes, das gemeinsame Gebet und der Blick auf das Leben der Heiligen Franziskus und Klara. Für manche ist diese geistige Auseinandersetzung ungewohnt: „Die eine Stunde des stillen Pilgerns in der Früh ist für mich das Härteste“, meinte eine junge Südtirolerin einmal, „und doch war diese Stunde – im Rückblick – für mich die wichtigste Zeit des Tages“. Das Wort Gottes, die Impulse, Gruppengespräche und Gottesdienste sind wie Balsam, welche die Teilnehmenden auf heilsame Weise mit der Realität ihres Lebens in Berührung bringen.

Weg der Gemeinschaft

Viele der jungen Pilgerinnen und Pilger sind sich vorher nie begegnet und kommen aus ganz unterschiedlichen Gegenden und Milieus. Plötzlich teilen sie mit anfangs wildfremden Menschen ihr Leben, und das unter ungewöhnlichen Bedingungen: Geschlafen wird im Schlafsack meist am Boden, gegessen aus dem selber mitgebrachten Plastikgeschirr, jeder muss seinen eigenen Rucksack tragen, Schweiß und für manche auch einige Blasen gehören sozusagen zum Programm. Dies alles schafft jedoch eine gegenseitige Nähe und ein Vertrauen, das wohl unter „keimfrei“-zivilisierten Umständen nie entstehen würde.

Weg der Begegnung mit sich selber

Eine andere, öfters geäußerte Rückmeldung lautet: „Ich habe mich bei der Marcia selber viel besser kennen gelernt.“ Innere Spannungen, blockierende Verhaltensmuster und anderes treten intensiver als im Alltag ins Bewusstsein und können in Gesprächen am Weg oder auch in der Beichte am Einkehrtag einmal in Worte gefasst werden. Die Marcia wird – auch dort wo die Gruppe sich einmal verläuft oder Pläne spontan geändert werden müssen – zu einem Bild für das eigene Leben. Sie wird auch zu einer Übung, nicht gleich aufzugeben, Unangenehmes im Hinblick auf ein gutes Ziel in Kauf zu nehmen, oder in der eigenen Mühe doch noch einen Blick für die anderen zu haben.

„An der Tür zum Paradies“

… so lautete das Motto der diesjährigen Marcia. Mit dieser Tür war in erster Linie jene der Portiunkula-Kapelle im Inneren der gleichnamigen Basilika gemeint. Es sind heuer 800 Jahre, dass der Hl. Franziskus für alle, die am 2. August hierher kommen, vom damaligen Papst einen „Ablass“ erwarb, welcher sonst nur wenigen gewährt wurde, die an einem Kreuzzug teilnahmen oder sich eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus leisten konnten. So wurde die Kapelle bei Assisi zu einem Ort der Barmherzigkeit Gottes und der damit verbundenen Versöhnung.
Portiunkula ist ein alter Flurname und bedeutet kleine „Portion“ Land. Damit kann sie auch als Bild für die Seele, dieses kleine Stück von Gott bewohnte und unzerstörbare Paradies in unserem eigenen Inneren dienen.
Zum Anlass des „Jahrs der Barmherzigkeit“, das so gut zu diesem Ort passt, kam heuer am Nachmittag des 4. August auch Papst Franziskus als Pilger hierher. Nachdem die österreichische Gruppe seinen Worten gelauscht hatte, brachte sie der Bus wieder sicher zurück in den Norden. Vieles von dem, was in den jungen Menschen durch die Gnade Gottes in diesen Tagen an Gutem aufgebrochen ist, wird weiter wachsen.