Ehe auf franziskanisch

Verliebte-1212093_1920Habe ich richtig gelesen?“, werden manche sich fragen. Was in Österreich einigermaßen eigenartig klingt, stellt zumindest in Italien mittlerweile eine kleine Bewegung dar. Junge Verliebte beschließen sich „franziskanisch“ auf die Ehe vorzubereiten, die Hochzeit entsprechend zu feiern und dann in diesem Stil auch zusammen zu leben. Die Idee geht auf Pater Giovanni Marini zurück, der in der Franziskanerprovinz von Assisi als Seelsorger für junge Erwachsene tätig ist. Wie die „Ehe auf franziskanisch“ konkret funktioniert wird hier erzählt.

Soll ich überhaupt heiraten?
Eheleben und Ordensleben, von Grund auf verschieden und doch in Einigem so ähnlich: Beide Lebensformen sind keineswegs mehr selbstverständlich. Mit der Zahl der Scheidungen ist auch diejenige der Ordensaustritte gestiegen. Zugleich wächst eine neue Sehnsucht nach gelungener Stabilität. Jene, die heute kirchlich heiraten – und auch die in Orden eintreten – sind „Kinder unserer Zeit“. Das heißt sie zweifeln manchmal, ob eine lebenslange Bindung überhaupt noch möglich ist. Warum? Zum Beispiel, weil sie vernichtende Streitigkeiten, Scheidung und andere Brüche bei den Eltern oder bereits in eigenen Beziehungen erlebt haben. Auch folgende, ehrliche Frage an sich selber lässt manche zögern: „Schaffe ich es gewohnte Freiheiten aufzugeben und mich wirklich voll auf einen Partner (oder auf eine Ordensgemeinschaft) einzulassen, ein Leben lang?“

Ehe-„Noviziat“ … reif werden zum Heiraten
Beziehung und Ehe brauchen eine frühe, leider oft verabsäumte Vorbereitung. Hier setzt die Idee der „Ehe auf franziskanisch“ an. In kleinen „Kursen“ (kein Ehevorbereitungskurs), von Franziskanern geleitet, wird jungen Leuten, die noch alleine oder schon in Paarbeziehung leben Mut zur Arbeit an sich selber gemacht. Ein Weg der Selbstannahme und der Akzeptanz der eigenen Wurzeln muss eingeschlagen werden. Eine Frau oder ein Mann in starkem Zwist mit sich selber oder mit der eigenen Herkunft wird den Partner ungewollt in die eigenen Probleme hineinziehen. Eine solche Beziehung ist möglicherweise von Beginn an mit einem – klein gedruckten – Ablaufdatum „gestempelt“.
Außerdem werden im Kurs imaginäre Wunschlisten, wie der zukünftige Partner/ die Partnerin zu sein habe, auf ihren Realitätssinn abgeklappert. Kann es eine Person überhaupt geben, die all diesen hohen Ansprüchen entspricht? Es wird auch vermittelt, dass die Verliebtheit der ersten Zeit zu wirklicher Liebe heranreifen muss, die neben dem Gefühl wesentlich auch in Taten, Kompromissen und persönlichen Opfern besteht. Natürlich wird auch der Platz der Sexualität in Beziehungen zur Sprache gebracht. Jungen Menschen tut es gut zu hören, was sie ohnehin spüren: Nämlich dass Sex in der Form, wie er ihnen im virtuellen Raum des Internet begegnet, für reale Beziehungen eher destruktiv ist. Die Sexualität wird als Geschenk Gottes vorgestellt, mit dem ein Paar einen guten Umgang lernen sollte und das seine Schönheit am besten innerhalb der sakramentalen Ehe entfaltet. Selbstverständlich und nicht zuletzt versuchen die Franziskaner, die den Kurs leiten, auch die Bedeutung und die Konsequenzen der Ehe als Sakrament gut zu erklären.

Eine etwas andere Hochzeitsfeier
Wenn ein Paar sich zu einer Ehe im franziskanischen Stil entscheidet, wird dies in Italien besonders in der Art der Hochzeitsfeier sichtbar. Am Wichtigsten bei der Vorbereitung sind nicht das Mahl, das Kleid, die Örtlichkeit usw., sondern es ist die kirchliche Feier. Sie strukturiert alles Rundherum. Ein Grundsatz lautet, nicht soviel Energie in den äußeren Glanz der Hochzeit zu stecken, sondern alles möglichst einfach aber dafür umso authentischer zu halten. Was dadurch an Mühe und Geld gespart wird, soll dahingehend aufgewendet werden möglichst vielen die Teilnahme an der Feier zu ermöglichen. Das Mahl kann zum Beispiel auch einmal ein gutes, für alle offenes Catering-Buffet sein. Manches Brautpaar entscheidet sich dafür, auf die üblichen Geschenke zu verzichten und die Gäste stattdessen zu einer Spende für Bedürftige einzuladen. Bei diesen Grundsätzen soll aber unbedingt eine gewisse Flexibilität gewahrt bleiben. Je nach Ort, Elternhaus und anderen Gegebenheiten können „franziskanische Hochzeiten“ ganz verschiedene Formen annehmen. Der einfache Stil dient der Freude dieses Tages und soll sie keineswegs einschränken. Die „franziskanische“ Hochzeitsreise beinhaltet neben Spaß, Entspannung und Neugierde auf fremde Länder auch einen spirituellen Schwerpunkt. Manche unternehmen zum Beispiel eine Reise in das Hl. Land oder legen einige Tage des Pilgerns ein.

Ehe mit drei Knotencingolo francescano su pietra
Wo sich das Franziskanische einer Beziehung dann bewähren muss ist das Leben mit all seinen Turbulenzen. Hier kommen die drei „evangelischen Räte“ – auch Gelübde genannt – ins Spiel. Franziskaner tragen als äußeres Zeichen für die versprochene Armut, den Gehorsam und die Keuschheit drei Knoten in ihrem Strick (Zingulum). Diese drei Werte haben auch für Verheiratete eine Bedeutung, wenn auch anders als für Ordensleute.
Etwa die „Armut“: Im Leben als Paar und Familie ist es heilend die eigene Armut und jene des Partners zu kennen und jeden Tag neu anzunehmen. Jeder ist anders „arm“ und im Lauf des Lebens auch auf verschiedene Weisen. Manchmal ist es berufliche Überlastung, dann wieder Krankheit oder anderes. Als Zweites wäre der „Gehorsam“ zu nennen: Gemeint ist nicht hierarchischer Gehorsam sondern das gute Hören auf die Worte, Gesten und Botschaften des ebenbürtigen Gegenübers. Grundlegend ist es miteinander im Gespräch zu bleiben und eine gute Konfliktkultur einzuüben. Gehorsam heißt auch den anderen zu respektieren und sich gegenseitig die notwendigen Freiräume zu gönnen. Sogar das Gelübde der „Keuschheit“ ist – richtig verstanden – für die Ehe von wichtiger Bedeutung. Es geht dabei um das Finden einer gemeinsamen Melodie der Liebe, das Eingehen auf die körperlichen Bedürfnisse des anderen, gemeinsames Genießen aber manchmal auch um Verzicht aus Respekt. Natürlich gehört hierher auch lebenslange Treue und die Offenheit für Kinder als zwei wesentliche Bestandteile der sakramentalen Ehe.
Ein besonders franziskanischer und wichtiger Aspekt ist eine Kultur freudiger Gastfreundschaft und des Einsatzes für arme oder von der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen.

Familiensynode
Die „Ehe auf franziskanisch“ könnte zu einem Modell für die Weltkirche werden. Eine zweiteilige Familiensynode sondierte ja in den letzten beiden Jahren, wie die Kirche im Auftrag Jesu heutigen Menschen helfen kann, Beziehung und Familie zu leben. Ein Ergebnis ist der Entschluss, die Vorbereitung junger Menschen auf die Ehe ernster als bisher zu nehmen und die Familien besser zu begleiten und zu stärken. In weiterer Folge gilt es Singles einen Platz in der Kirche zu geben. Außerdem wird die Kirche sich stärker um Hilfe für Menschen bemühen, die nicht dem Ideal entsprechen oder die auf irgendeine Weise gescheitert sind.

Auch in Österreich
Neuerdings versuchen auch die österreichischen Franziskaner junge Menschen in ihrer Beziehungsfähigkeit und Beziehungswilligkeit zu stärken. Im Franziskanerkloster Maria Enzersdorf gibt es dazu im Rahmen des Projekts „La Verna“ verschiedene Wochenendangebote. Besonders geeignet ist der Kurs „Bettona … Mit Gott liebt es sich echter“.
Vielleicht werden auch in unserem Land bald Hochzeiten im „franziskanischen Stil“ gefeiert und gelebt.